Donnerstag, 5. August 2010

San Salvador zum dritten Mal

Inzwischen fuehlte ich mich schon fast wie zu Hause, als ich am 22. Juni zum dritten Mal den Busbahnhof von San Salvador erreichte. Den laesstigen Taxifahrern haute ich auf die Finger, als sie versuchten, meinen Rucksack anzufassen. Mit dem Bus Nummer 9 ging es ohne Probleme zum Stadtteil „Ayutuxtepeque“, zum Haus von Alberto. Erneut guckten die Einheimischen etwas verwirrt, einen scheinbar verirrten Auslaender zu sehen. Die Ueberraschung war natuerlich gross, als mich Alberto und seine Mitbewohner sahen.
Ich kochte mal wieder...
...und wir quatschten bis spaet in die Nacht. Lange schlafen war wieder nicht drin. Schon um 6.30 Uhr standen alle in Kueche und machten sich fuer die Arbeit bzw. Uni fertig. Die ganze Woche ueber hatte ich vieles zu erledigen, so dass die Tage viel zu schnell vorrueber gingen. Am Freitag war ein weiteres Mal Café La „T“ (gesprochen Café Late) Tag. Ich war den ganzen Tag aufgedreht, bis ich eine unangenehme E-Mail aus Deutschland erhielt. Mein Magen spielte danach total verrueckt. Nur mit Muehe konnte ich mich zusammenreissen. Langsam aber doch konzentrierte ich mich auf die Trommlergruppe, die die Stimmung anheizte. Claudia, eine Freundin von Alberto, weihte mich immer weiter in die Kunst der Salsa- und Bossa Nova-Klaenge ein. Und es funktionierte. Ich musste nur die deutsche Steifheit ablegen und auf den Rhythmus hoeren. Der uebliche Alkoholtrick funktioniert nicht, weil man sich viel zu oft um die eigene Achse drehen muss. Also verzichtete ich auf Alkohol, hatte meinen Spass und genoss diesen Abend enorm. Das anschliessende Wochenende verlief ganz ruhig und entspannt. Am Samstag lud Claudia uns (Thure (Deutscher), Evelia (seine Freundin, Salvadorerin), Alberto, Salvadorer) in ihr Haus ein -OK, das Haus ihrer Eltern-, in dem wir ueber Nacht blieben. Ab 21 Uhr fahren in San Salvador keine Busse mehr und ist nach 20 Uhr nicht empfehlenswert. Wenn ich in den Plan eingeweiht gewesen waere, haette ich am naechsten Morgen nicht mit zusammengekniffenden Lippen das Fussballspiel Deutschland gegen England angeschaut, weil ich keine Zahnbuerste dabei hatte. Um 8 Uhr morgens versammelten wir uns alle vor dem Fernseher.
Fuer einen richtigen deutschen Fussballfan gehoert es sich zu schminken und sich dementsprechend auszustatten.
Ich bin kein richtiger Fussballfan. Bin ich ueberhaupt einer? Ich habe fuer ein Unentschieden gestimmt,...
...obwohl ich mehr fuer England die Daumen gedrueckt habe. Einer im Haus muss doch fuer Gleichgewicht sorgen. Nachdem ein offensichtliches Tor von England nicht gegeben wurde, war die Stimmung bei den Englaendern raus.

Zum Schluss hiess es 4:1 fuer Deutschland. Es hat wieder nicht geklappt. Die Prognosen besagten, dass Deutschland nach der erste Runde nicht weiterkommen wuerde. Am Nachmittag fuehr ich mit Thure und Evelia zur „Artilugio“ -Ausstellung, im „Museum der Kuenste“.
In einem extra Ausstellungsraum zeigten viele Kuenstler ihre Werke. Claudia war einer unter ihnen und durfte ihre Kunstwerke auch zum Verkauf anbieten. Nicht alles hat mir gefallen. Wenn nicht sogar kaum etwas. Aber vielleicht macht das genau Kunst aus?!? Claudia ist Studentin an der Kunst-Universitaet in San Salvador und macht gerade ihren Master in Keramik-Kunst. Viele ihrer Werke gefallen mir sehr und sind wahrscheinlich durch ihren japanischen Professor ein wenig japanisch gepraegt. Sie studiert verschiedene chemische Oberflaechenverfahren, wenn sie nicht gerade im Museum arbeitet. Zu meiner freudigen Ueberraschung schenkte sie mir einen Elefanten, der dem ersten „Margarete Steiff“ Elefanten sehr aehnelte.
Sie schwor mir aber, dass sie noch nie etwas zuvor von der Firma Steiff gehoert hat. Dann muss ich es ihr wohl glauben. Im Museum der Kuenste fand ebenfalls eine Picasso-Ausstellung statt. Den farbenfrohen Ausstellungsraum und die Bilderrahmen haben mir sehr gefallen. Die Lampen setzten tolle Kontraste. Nur aber was sich in den Bilderrahmen befand, war ausgesprochen schlecht. Ich habe schon einige Picasso Kunstwerke gesehen. Doch diese waren langweilig und die Skizzen wirken lieblos zusammengewuerfelt. Absolut nicht sehenswert! Mein Magen hatte immer noch zu kaempfen. Oder ich mit meinem Magen!?! Die ganze Woche ueber plagte ich mich damit. Erst die Medizin aus der Apotheke und Entspannung halfen. Nach einer aufregenden Woche freute ich mich, dass endlich Freitag ist. Sorry, ich wollte unbedingt wieder im Café La „T“ tanzen gehen. In der Woche ueber war ich einmal mit Claudia im Café La „T“ heisse Schokolade trinken. Der Geschmack, der Schokolade, war suess. Am Freitag, nach Albertos Deutschkurs,...
...fuhren wir mit den Leuten im Haus zum Tanzen ins Café La „T“. Claudia musste leider absagen. Sie fuehlte sich nicht besonders gut, so dass ich fuer den Abend einen anderen Tanzpartner finden musste. Kaum hatte ich die Location betreten, lernte eine Englischlehrerin kennen, die mit mir „Pool-Billiard“ spielen gehen wollte. Naja, sie musste alleine spielen gehen. Ich tanzte den ganzen Abend mit vielen Frauen. Um 2 Uhr nachts wurden wir alle rausgeworfen. Eine Freundin von Alberto brachten uns zurueck. Sie hatte keinen Fuehrerschein und war betrunken. Trotzdem fuhr sie Auto. „Es machen alle so in El Salvador.“ Ich hatte ziemliche Angst, weil sie ohne zu gucken ueber die Kreuzungen fuhr. Alternativen nach Hause zu kommen, waere nur ein teures Taxi gewesen. Was sind schon 4 Dollar im Vergleich im Krankenhaus zu liegen? Im Haus von Alberto war es inzwischen sehr voll. 3 Deutsche und eine Amerikanerin sind eingezogen. Ich zog uebers Wochenende ins Haus von Claudia. Sie haben viele Zimmer und es war wirklich kein Problem. Ich revangierte mich, in dem ich mich ums Essen fuer die ganze Familie kuemmerte.
Alle in der Familie koennen nicht kochen und waren offen fuer neue Genuesse. Sie mochten mein Essen. Wirklich! Wie schoen.
Claudias Mutter und ihre Geschwister Maura (Foto) und Manuel mochten mich auch. Sie boten mir an, dass ich hier, wenn immer ich moechte, schlafen darf. Und nach einigen Tagen wollten sie sogar, dass ich die naechsten Monate bleiben darf. Doch das lag bestimmt am Essen, das ich so gut wie jeden Abend kochte. An den anderen Tagen gibt es leckere Pupuser mit Kaese und Bohnen. Ich kann nicht genug davon bekommen. Deutschland machte den dritten Platz bei der Fussballweltmeisterschaft in Suedafrika. Wir guckten das Spiel in unserer Stammbar. Viele Leute von der Deutschklasse waren auch gekommen und drueckten fuer Deutschland die Daumen.
Ich haette mal wieder aus Krake Paul hoeren sollen, die alle WM-Spiele vorhersagen kann. Uruguay war das letzte Team aus Suedamerika. Am Sonntag war das Endspiel: Holland gegen Spanien. Ich drueckte Holland die Daumen. Ich hoerte wieder nicht auf Paul und war wahrscheinlich der Einzige in der Bar, der fuer Holland stimmte. Jedesmal, wenn Holland eine Torchance hatte, schrie ich. Sekunden spaeter schrieen alle und klatschten mit mir. Aber nur, weil sie die Hollaender auslachten. Spanien, der Uebeltaeter fuer viel Leid im Land, wird nun heute das spanische Fussballteam von den Salvadorer bejubelt. Die Salvadorer sind grosse Barceloner-Fans. Fast alle Spieler von Barcelona spielen in der spanischen Nationalmanschaft. Im Haus von Alberto war es regelmaessig laut und ungemuetlich. Ich lernte nun jeden Tag im Haus von Claudia spanisch und war jetzt schon fast so ne Art Familienmitglied. An einem Abend zeigten sie mir eine deutsche Bar in san Salvador. Es gab deutsches Essen, wie zum Beispiel Bratkartoffeln, Currywurst und Bauernfruehstueck, und deutsches Koestritzer Bier. Es war wirklich ein lustiger, schoener Abend. Am Mittwoch, den 21. July, hatte Maura (Claudias Schwester) Geburtstag. Erst gab es Berliner Buletten mit Bratkartoffeln und abends fuhren wir dann in eine Juppi-Bar und tranken Cocktails.
Es wurde recht spaet und kamen erst gegen 3 Uhr morgens ins Bett. Dementsprechend muede waren wir alle am naechsten Morgen. Gute News bekam ich inzwischen aus Deutschland. Mein Zwischenmieter, von dem alle erst dachten, dass er Tod sei, ist aus dem Gefaengsnis raus und versprach, seine Schulden bei mir zu begleichen. Nun konnte ich wieder hoffen, meine Plaene zu realisieren. Am darauffolgenden Montag wurde ich nach Panchimalco eingeladen. Ein bekannter Kuenstler hatte seine Tueren geoeffnet und Kunststudenten der Universitaet eingeladen. Der Kunstprofessor brachte uns auf der Lageflaeche seines alten Lkws nach Panchimalco. Auch ich wurde herzlich empfangen und durfte mir sein Atelier anschauen. Das Haus mit seinem Garten fand ich wunderschoen gestaltet. Jedoch fand ich seine Kunstwerke nur interessant.
Am spaeten Nachmittag lug uns dann noch ein Kunststudent zu seiner Familie ein. Heute vor 9 Jahren war sein Grossvater gestorben und das wird gross gefeiert. Es gab tradionell ein Maisgericht im Bananenblatt eingewickelt und geduenstet. Auf der Rueckfahrt nach San Salvador setzte der gewoehnliche Regen am Abend ein. Waehrend die Frauen im Inneren sassen, mussten wir Maenner auf der Ladeflaeche ausharren. Wir bekamen ein Stueck Pappe als Schutz. Es half natuerlich kaum. Der Professor, Claudia und eine andere Frau sassen lachend im LKW. Uns war nicht zum Lachen zu mute. Es war bitter kalt.
Wir fuhren zu Albertos Haus und holte meinen Ruecksack mit all meinen Sachen ab. Maura kam vorbei, damit ich meine Sachen nicht tragen musste. Es war der Tag vom Abschied zu Alberto. Die anderen Mitbewohner waren nicht zu Hause. Nach so vielen Wochen fiel es mir sehr schwer Good Bye zu sagen. Ich verschob immer wieder meine Abreise. Doch am 4. August musste und wollte ich El Salvador (erstmal) dem Ruecken kehren.

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