Sonntag, 18. Mai 2008

Kratie

Am 16. Mai, um 5.30 Uhr morgens, verließ ich bei starkem Regen mein Hotel und lief zum Busbahnhof am Marktplatz. Der Weg von Banlung wieder zurück zur Hauptstraße legte ich diesmal nicht in einem Minivan, sondern mit dem großen Bus zurück. Diesmal kam mir das Rumgeschüttel nicht so stark vor. Trotzdem nervte es mich, mehrere Stunden auf meinem Sitz auszuharren. Meine Blase prallte ständig gegen irgendetwas in meinem Körper, so dass ich ständig das Gefühl hatte, auf Toilette zu müssen. Als ich es wirklich nicht mehr aushielt und ich den Busfahrer um eine Pause bitten wollte, erreichten wir die Hauptstraße mit den asphaltierten Straßen. Dort hielt der Busfahrer an und ich konnte blitzschnell meinen Druck ablassen. Von hier aus war es nicht mehr weit nach Kratie. Kratie befindet sich circa auf halben Weg zwischen Strung Treng und Phnom Penh. Während der Fahrt stieg ein Khmer mit seinem Sohn in den Bus ein. Der Vater hatte ein altes Armeehemd an. Es machte mich stutzig, so dass ich meine Blicke nicht von ihm lassen konnte. Seine Augen strahlten so viel Liebe aus, die er auf seinen Sohn übertrug. Ich hatte kein Wort mit ihm gesprochen, doch ich wusste, dass er ein liebevoller Vater war. Eine Französin übte mit dem Sohn das Zählen auf khmerisch. Oder eher der Sohn mit der Französin?!?


Der Vater blickte dabei voller Stolz auf seinen Sohn. Wie konnte so ein Mann bei der Armee gewesen sein? Er wäre doch daran zerbrochen? Ich hätte ihn bestimmt angesprochen, doch dann war ich schon am Ziel. Aus dem Bus ausgestiegen, fing ich sofort an zu schwitzen. Der Temperaturunterschied war gewaltig. Die Sonne brannte sich in mein Gesicht. Am Bustopp traf ich eine Gruppe von Backpackern, die auf den Bus nach Banlung warteten. Wir kamen ins Gespräch und wir konnten unsere Tipps austauschen. Zu mir meinten sie, dass Kratie keine tolle sehenswerte Stadt sei. Das traf mich mitten ins Herz. Ich habe mich für die Stadt entschieden, weil es hier die seltenen Süßwasser- Delphine gibt. Desweiteren besteht die Möglichkeit ein Motorrad auszuleihen und schöne Ausflüge zu machen. Etwas geschockt lief ich in die Innenstadt, um ein günstiges Hotel zu finden. Überall waren die Preise überdurchschnittlich hoch. Scheinbar bestand eine Preisabsprache, da auch die muffigsten Hotels hohe Preise hatten. Mit Glück fand ich dann ein Hotel genau am Marktplatz. Die Mutter mochte mich scheinbar und sprach mit ihrem Sohn, dass er mir ein Zimmer günstiger anbieten soll. Der Sohn blieb lange standhaft und ging so gar mit dem Preis nach oben. Er meinte zu mir, dass wir alle reich wären und dass wir nur der Delphine wegen hier sind. Dann könnten wir schließlich auch dafür bezahlen. So direkt hatte mir noch kein Asiate das ins Gesicht gesagt. Er gab mir schließlich ein günstiges Zimmer, aber ohne Fenster. Die seltenen Delphine schwimmen im Mekong zwischen Kratie in Kambodscha und den Khon Phpheng Wasserfällen in Laos. Schätzungsweise gibt es nur noch 10 Exemplare und bald wahrscheinlich gar keine mehr. Die Bootsbesitzer auf den Touristentouren fahren immer noch mit Schiffsschrauben. Weiterhin wird immer noch mit Dynamit gefischt. Die scheuen Delphine lassen sich nur selten blicken und springen nicht im Wasser wie ihre Artgenossen.
Wenn man sie eventuell sehen sollte, dann sieht man gerademal eine Schwanzflosse oder nur eine Illusion. Kratie ist also eine Delphin- Touristenabzocke- Stadt und zu dem eine stinkende dreckige Stadt mit alten Häusern aus der Kolonialzeit...


...und mit einem überdachten Marktplatz.



Da es hier nichts Tolles zu sehen gab, mietete ich mir ein Motorrad. Besser gesagt wir, weil ich kurz zuvor einen Australier kennengelernt habe, der sich meiner Tour anschloss. Wir fuhren ca. 30 km nach Norden in den kleinen Ort mit dem Namen Sombur. Dort kann man die Pagode mit der größten Anzahl an Säulen besichtigen.
So weit ich mich erinnern kann, waren es über 119 Säulen. Um auf diese hohe Zahl zu kommen, wurden auch die eckigen Säulen mitgezählt und Säulen mehrfach gezählt, wenn sie durch eine Zwischendecken geht. Naja, jeder versucht auf seine Art Touristen anzulocken. Bei uns hat es ja geklappt. Wir waren die einzigen Touristen. Hinter der Pagode war noch ein kleiner Tempel mit einer lustigen Treppe davor. Wurden hier etwas Streitgespräche geführt?

Auf dem Rückweg hatten wir einen Motorradunfall, der auch schlimmer ausfallen hätte können. Ich fuhr die Maschine durch ein kleines Dorf. An den Straßenseiten spielten die Kinder und überall lief Federvieh rum. Von vorne sah ich einen großen Geländewagen mit großer Geschwindigkeit auf mich zukommen. Der Fahrer hupte mehrfach und ich fuhr immer weiter nach rechts, bis es nicht mehr ging. Sekunden, nachdem das Auto an uns vorbeifuhr, überholte mich ganz knapp ein anderes Motorrad. Dabei verfing sich mein linkes Hosenbein in der anderen Maschine. Der Fahrer der anderen Maschine wollte immer mehr Gas geben. Da er aber nicht voran kam, gab er noch mehr Gas. Mein Bein hing ausgestreckt und ich konnte in meiner Situation nur die Bremse ziehen. Irgendwann zog ich mit aller Kraft an meinem Bein, so dass sein Motorrad umfiel und wir in sein hinein fuhren. Ich stand voll unter Schock und zitterte am ganzen Körper. Ganz entsetzt schaute ich auf mein Bein. Ein fetter Kratzer und Schürfwunden durchzog mein Bein. Es war geschwollen und ist später blau angelaufen.

Das Hosenbein war leider zerrissen. Es machte mich traurig, da die Hose ein Geschenk von Evi war. Das Motorrad vom Verursacher des Unfalles sah nicht mehr funktionstüchtig aus. Von überall kamen Flüssigkeiten raus und mehrere Motorradteile waren verbogen, gebrochen und zerkratzt. Er schob ohne ein Wort zu sagen seine Maschine weg. In Asien hat bei einem Unfall jeder den eigenen Schaden zu bezahlen, auch wenn man nicht der Verursacher war. Es ist ein ungerechtes aber einfaches Verkehrsrechtssystem. Der Australier und ich standen danach neben dem Motorrad und rührten uns nicht. Es war wirklich passiert. Von überall kamen die Leute und glotzten. Unser Motorrad sah glücklicherweise nicht so schlimm aus, wie die vom Verursacher. Ein Frontplastikteil war bei uns angebrochen. Sonst war alles OK. In meinem Zitterzustand konnte ich keinen Meter weiterfahren. Der Australier, der noch nie Motorrad gefahren ist, setzte sich auf die Maschine und fuhr uns nach Hause. Auf dem Weg dort hin, hielten wir bei einem Mechaniker an und fragten nach Plastikkleber. Anstatt uns den Kleber zu geben, wollte er den Riss selber zusammenkleben. Er machte es so laienhaft, dass man die fetten Klebespuren sofort sehen konnte. Um den Riss perfekt zu reparieren, brauchten wir nur noch eine Farbspraydose, damit wir es übersprayen konnten. Wir fanden erst in der Stadt, nach unzähligem Nachfragen, einen Laden, der genau den weinroten Farbton hat. Wir kauften die Farbdose erst einmal nicht. Der Motorradverleiher sah den reparierten Schaden nicht und gab mir meinen Reisepass zurück, den ich als Pfand hinterlegen musste. Erleichtert wollten wir gerade gehen, als er nach uns schrie. Er hatte den Schaden doch noch gesehen und fing eine Diskussion an. Wir boten ihm an, eine Farbspraydose zu kaufen. Er stimmte zu. Danach meinte er, dass diese Farbe nicht für Plastik geeignet ist und dass die Reparatur ganz teuer ist. Er verlangte 40 Dollar, die wir schließlich bezahlen mussten. Somit war die Sache erledigt undwir konnten gehen. Wahrscheinlich sprühte er die Farbe auf den geklebten Riss und das Motorrad sieht wieder wie neu aus. Am nächsten Morgen hielt mich nichts mehr in dieser Stadt und ich wollte sie ganz schnell verlassen. Ich wollte nicht mit einem Touristenbus fahren, sondern mit einem einheimischen Bus. Den speziellen Busbahnhof hatte ich dank meines Reiseführers schnell gefunden. Überall standen kleine Minivans rum und die Fahrer kämpften um jeden Kunden. Ich war eine Art Paradiesvogel für sie und sie machten Witze über mich. Jeder versuchte mir einen viel zu hohen Preis aufzudrücken. Ich ließ die Fahrer gekonnt unter sich kämpfen. Ich hielt mich zurück und jeder, der mir einen günstigeren Preis anbot, zu dem wechselte ich meine Richtung. Es ging mehrfach hin und her. Schließlich bestand der Fahrer, der mich zu erst fragte, darauf, dass er mich transportiert. Die anderen unterboten ihn nun nicht mehr und ich stieg bei ihm ein.

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