Sonntag, 4. Oktober 2009

Mendoza

Am 28. September gegen 10 Uhr erreichte ich endlich die berühmte argentinische Weinregion Mendoza. Die Fahrt mit dem günstigsten Reiseanbieter "Plusultra Mercobus" nach Mendoza war „plus“ & „ultra“ Scheiße. Die Lehne vom Sitz meiner Nachbarin war kaputt und mein Sitz war durchgesessen, wodurch ich die ganze Nacht auf Metall im Arsch schlafen mußte. Der Fenstervorhang fiel auseinander. Überall klapperte es die ganze Zeit, so dass an Schlaf kaum zu denken war. Dann war es auch noch eiskalt im Bus. Um mich herum hörte ich des öffteren die Worte: „muy, muy frio“. Ich war also nicht die einzige Frostbeule. Das versprochene Frühstück im Bus bekamen wir erst kurz bevor wir in Mendoza ankamen. Das Frühstück bestand aus Kracker, Bonbons und aus einem süßen Küchlein. Da gab es selbst in der DDR noch Käse dazu (linke Seite vom Foto: 65% de calcio de la DDR):
Mein ganzes Obst, also mein persönliches Frühstück, hatten sie an der Staatsgrenze zu Mendoza abgenommen. Wie auch in Australien war das Einführen von Obst und Gemüse in einen anderen Staat verboten. Wohl zum Schutz der einheimischen Flora und Fauna. Das hatte ich natürlich vergessen, als ich in Cordoba noch schnell, vor der Busfahrt, zum Supermarkt rannte. Für die Wortwahl und der Kraftausdrücke muss ich mich entschuldigen. Ich schrieb diese Zeilen noch im Bus und bin demnach mit dem günstigsten Reiseanbieter sehr zufrieden. Wer mich kennt, hat hoffentlich die Dreideutigkeit im letzten Satz entdeckt. Der Buspreis richtet sich also (in Argentinien) daran, ob und wie man schlafen kann. Am Busbahnhof gerade angekommen, saß ich schon wieder im Bus. Aber diesmal in einem Öffentlichen, der mich zu meinem Hostel brachte. Im Internet fand ich das Hostel Empedrado, dass mit 23,50 ARS ausgesprochen günstig war. Von den Betten und vom Bad abgesehen war es wirklich toll und gemütlich. Zu dem war es nah an der Innenstadt. Nein, in meinem Hostel gab es keinen kostenlosen Wein like: „all you can drink“ Es gab nur ein Glas pro Tag. Für die wohl beste Weinregion Argentiniens, sind diese Kundenfangmethoden ganz üblich und normal. Etwas außerhalb von der Stadt Mendoza, in der gleichnahmigen Region, befinden sich im Departamento „Maipu“ mehrere Weingüter. Diese laden zu einer Besichtigung und Verkostung ein. Was sollte man denn sonst zu dieser Jahreszeit hier machen? Die Skisession war gerade zu Ende. Das Wandern zwischen den höchsten Berge der Welt war aufgrund der Wetterbedigungen verboten und für’s Wildwaterrafting war das Wasser zu kalt. Also fuhr ich mit dem Bus nach Maipu zur Weinverkostung und folgte der Ruta del Vino...aber "Don't go this way"(den anderen Weg)!!! An der Hauptstraße lieh ich mir ein Fahrrad in eines der vielen Fahrradverleihgeschäften aus und fuhr als erstes zu einem Weinmuseum. Oder war das Museum nur eine Tarnung?!? Neben all den alten Gerätschaften... ...ruhte in großen Holzfässern Wein, der für den Verkauf bestimmt war.
Lange konnte ich nicht bleiben, weil zu jeder vollen Stunde auf dem Weingut Trapiche eine Führung stattfindet. Also fuhr ich an den Weinreben, mit den Bergen im Hintergrund,...
...zum Eingang von Trapiche. Ein Pförtner meldet mich an und erlaubte mir, zwischen den schönen Blumen,...
...zum Hauptgebäude vorzufahren. Dort erfuhr ich, dass die 25-Pesos-Weintour sich nur auf die Geschichte des Weingutes bezieht und weniger auf die Technologie der Weinherstellung. Auf prahlende verkorkte Geschichten kann ich verzichten. Als ich gerade mein Fahrrad nehmen und gehen wollte. Sprach mich ein netter Mann im Anzug an und erklärte sich bereit, mit mir eine Weingutsführung durchzuführen. Dabei wollte er mir alles zeigen und erklären. So ein tolles Angebot vom Manager, wie ich später erfuhr, konnte ich nicht abschlagen. Ganz gespannt lauschte ich seinen Erklärungen und stellte eifrig viele Fragen. Zum Schluss hatte ich so gut wie alles verstanden. Die Theorie war größtenteils klar, aber trotzdem könnte ich keinen Wein produzieren. Dazu gehört jahrelange Erfahrung, den Prozess der Weinherstellung zu verfeinern. Gerne hätte ich nach so viel Theorie den Wein auch mal probiert, aber ein Pärchen besetzte den Weinverkostungsraum im edlen Ambiente. Deshalb fuhr ich mit einem noch immer 0-prozentigen Alkoholspiegel zum nächsten Weingut. Meine Wahl viel auf das Weingut „Tempus“. Es sah recht schlicht und edel aus. Ganz herzlich willkommen, lernte ich sofort zwei Schweizer kennen, mit denen ich ins Gespräch kam. Als dann noch das Pärchen vom Weingut Trapiche hinzukam, wurde es ganz schön eng am kleinen Tisch. Die beiden Londoner Rachel und Tim befanden sich gerade in den Flitterwochen. Während die Schweizer zum nächsten Weingut weiterzogen, saß ich mit den frisch vermählten auf der Terrasse. Mit Blick auf die Berge und auf die untergehende Sonne genossen wir den Wein. Als noch der Besitzer, ein in Designer Klamotten gekleideter cool wirkender Italiener, dazu kam, wurde es recht amüsant. Bei dieser ausgelassenen Runde lernten wir beim Gehen auch noch 2 Kalsruher und einen weiteren Engländer kennen. Bis spät in die Nacht konnten wir nicht bleiben, da wir die Fahrräder um 19 Uhr abgeben mußten. Ziemlich angetrunken setzten wir uns auf die Drahtsessel und folgten dem Straßenverlauf. Auf einmal kam uns ein Polizeimotorrad entgegen und drehte sofort um, als er uns sah. Mein Herz zerschellte auf die Straße, als er auch noch das Blaulicht anmachte. Aber anstatt uns anzuhalten und uns zu fragen, ob wir etwas getrunken hätten, blieb er brav hinter uns. Natürlich hätte ich ihm gesagt, dass ich nur Traubensaft getrunken habe. Wenn das nicht wirkt, hilft mein Zaubersatz: "No hablo espanol" (Ich spreche kein Spanisch). Er und ein weiterer Kollege im Polizeiauto eskortierte uns, bis vor dem Eingang des Fahrradverleihshops. Die Polizei, "Dein Freund und Helfer", achteten darauf, dass kein gut zahlender Tourist von der ärmlichen Bevölkerung ausgeraubt wird. Ich hatte mein Fahrrad bei einer anderen Verleihfirma, als die anderen, ausgeliehen und mußte somit früher die Eskorte verlassen. Das Fahrrad kaum abgestellt, wollten sie mir tatsächlich ein kostenloses Glas Rotwein anbieten. Bin ich denn so sicher auf den Hof vorgefahren? Dankend lehnte ich ab und ging zu den anderen, die ihr Fahrrad bei Mr. Hugo ausgeliehen hatten. An einem Tisch sitzend fand ich sie wieder. Ja, es stehen 6 Gläser mit Wein auf dem Tisch. Ich schäme mich.
Der Free Wine war natürlich nicht mit dem Qualitätswein von davor zu vergleichen. Mr. Hugo soll einen grenzüberschreitenden guten Ruf haben, dass u.a. bei ihm die Weingläser niemals leer werden. Ich fühlte mich schon ganz angetrunken, wie dieser Lama hier. Irgendwann konnten wir alle nicht mehr. Für Ronja glich das letzte Glas auszutrinken, als sei es ein Kampf. Mit dem Bus ging es dann zum Hauptbahnhof in der Innenstadt zurück. Ich verabschiedete mich von den anderen und ließ mich, mit einem Taxi, zu meinem Hostel fahren. Glücklicherweise war ich an einen netten Taxifahrer geraten, der mich nicht ausrauben wollte. Sicher erreichte ich erleichtert mein Hostel. Als ich hereinkam, traute ich meinen Augen nicht. Mr. Hugo stand in meinem Hostel genau vor mir.
Wie er das gemacht hat, werde ich wohl nie erfahren. Der nächste Tag war natürlich recht OK. Meine Kopfschmerzen waren nicht all zu groß. Schließlich hatte ich hauptsächlich qualitativ hochwertigen Wein getrunken. Trotzdem brauchte ich einen Ruhetag und beschloss ihn, in Cacheuta zu verbringen. 15 km außerhalb von Mendoza befand sich das Centro Climatico Termal Cacheuta. Im Gegensatz zu Santiago del Estero hatte dieses Thermalbad einen ganz guten Ruf. Auf dem Gelände angekommen, stand ich in einer großen Halle, in der die Leute an großen Tische saßen und Mittag aßen. Vor der Halle stieg Rauch vom BBQ auf. Ich befand mich wirklich in einem Thermalbad, obwohl der erste Eindruck einer Oktoberfesthalle glich. Umkleidekabinen hatten sie nicht, nur große Toiletten. Mit meinen Sachen unter dem Arm lief ich zum ersten Becken, legte sie daneben und sprang ins ca. 35°C warme Wasser hinein. Das war genau das Richtige nach so einer Weintour. Draußen, im Freien, befanden sich noch weitere heiße Pools. Der Bademeister „Paule“ kam mir eher wie ein Securityman vor, der aufpasste, dass niemand die Tasche der Badenden mitnahm. Erst war es recht gemütlich, aber als dann immer mehr Schulklassen reinkamen, war es mit der Gemütlichkeit vorbei. Also verließ das Thermalbad und nahm den ersten der beiden Busse, die zurück in die Stadt fuhren. 3 Stunden länger wollte ich nicht mehr im Bad verbringen und zwischen den schreienden Kindern chillen. Nach diesem Erholungstag nahm ich am nächsten Tag an einer Tour zum "Parque Provincial Aconcagua" teil. In dem Nationalpark stehen neben einigen 5000er der „Cerro Aconcagua“ (Foto: Mitte), mit stolzen 6959 Metern. Sie gehören zu den höchsten Berge außerhalb des Himalayas und befinden sich kurz vor der chilenischen Grenze. Aber wie schon oben erwähnt, war das Wandern im Park verboten. Das Wetter ist in diesen Höhen sehr wechselhaft und das Thermometer kann schon mal im Winter auf Minus 40 Grad fallen. Für diese Erfahrung haben viele Bergsteiger ihr Leben lassen müssen. Wie erwartet, waren auch viele Deutsche, auf dem Bergsteiger-Friedhof zu finden. Schon um 6 Uhr aufgestanden, war ich pünktlich kurz nach 7 Uhr fertig und zur Abholung bereit. Mein Bus verspätete sich um über eine Stunde. Gerne hätte ich die Stunde lieber im Bett verbracht, anstatt früh morgens das Frühstücksprogramm im Fernsehen anzuschauen. Der erste Lookout war recht schön, aber die Sonne stand uns gegenüber. Nichts mit tollen Fotos.
Mit dem Bus ging es dann weiter, im spektakulären Canyon,... ...wobei auch bei dieser Tour, nicht an Highlights angehalten wurde. Sicherlich ist das Ansichtssache. Für den Tourverantstalter war eher diese Brücke ein Highlight. Diese Brücke ist sehr wichtig für die Geschichte Argentiniens. Um sie zu schützen, wurde das Flußbett umgeleitet und das Betreten ist nicht erwünscht. Erst richtig interessant wurde es an der Puente del Inca (Brücke der Inkas). Es ist eine natürliche Brücke, die durch das Thermalwasser eine markante geld-orange-grau-grüne Farbe bekam. Großaufnahme. Die Ruinen sind keine antiken Inkahütten und es ist auch kein Gefängnis. Vor einigen Jahren befand sich hier ein Spa-Wellness Hotelkomplex mit Badehäusern...
...und einer Kirche. Nachdem eine Steinlawiene vom Gebirge herunter kam, war von dem Hotel so gut wie nichts mehr da.
Die argentinische Regierung hat einen Neubau verboten. Zum einen weil ein zweites Unglück mit Todesopfer nicht auszuschließen sei und weil die Fahrzeuge aus der Vergangenheit die Baussubstanz der Brücke beeinträchtigt hat. Heute ist es eben eine touristische Attraktion. Unmittelbar an der Brücke befand sich ein Markt, auf dem man (gewöhnliche) Steine für 2 Pesos kaufen kann.
Ich fühlte mich wie bei „Das Leben des Brain’s. Da aber kein Besuch einer Steinigung auf dem Program stand, ließ ich mich nicht von dem Angebot locken. Mit dem Bus ging es immer höher ins Gebirge. Am Eingang vom Aconcagua Nationalpark machten wir nicht mal eine kurze Pause. Gerade so noch konnte ich aus dem Bus raus dieses Foto machen. Wie schon gesagt, ist der Nationalpark aufgrund der winterlichen Bedingung zur Zeit gesperrt. Nur wenige Kilometer weiter, erreichten wir schließlich den Ort „Las Cuevas“. Das Wahrzeichen des Ortes ist dieses Hotel,...
...welches sich auf einer Höhe von 3200 Meter befindet.
Es war bitterkalt und ich war froh, dass ich meine Idee, eine Nacht in dem Hotel zu verbringen, schnell wieder verworfen hatte. Wenn es schon am Tage so kalt war, dann will ich gar nicht wissen, wie kalt es in der Nacht werden kann. Nach einem Mittagessen fuhren wir noch ein paar Kilometer weiter nach Osten, zum Grenzübergang nach Chile. Überquert haben wir die Grenze nicht. Wir wollten nur mal kurz die chilenische Luft schnuppern. Eine Ergänzung zum "Parque Provincial Aconcagua" habe ich noch. Der Film "Sieben Jahre in Tibet" mit Brad Pitt wurde nicht in Tibet gedreht, sondern hier im Nationalpark in Argentinien. Eine kleine Welt in mir stürzte zusammen. OK, ist ja auch logisch, da die chinesische Regierung es bestimmt nicht erlauben würde, einen Film zu drehen, der die chinesische Regierung kränken könnte. Eine ist keine, also gibt es noch eine Anmerkung. Ich weiß ja nicht, ob es bekannt ist, aber die Autos in Mendoza fahren ähhh fliegen mit Kerosin.
Wieder in Mendoza zurück, chillte ich noch etwas, weil ich am Abend ausgehen wollte. Und genau das war mein Fehler. In Argentinien geht man nachts aus. Vor 1-2 Uhr geht überhaupt nichts. Stundenlang wollte ich nicht am Glas nippen und ich fuhr wieder zurück ins Hostel. Für den nächsten Tag hatte ich mir ein Busticket nach Bariloche gekauft. Die Dame im Office hatte mir ein falsches Ticket, mit einem falschen Sitzplatz verkauft. Dies bedeutete viel Streß und Aufregung, weil es mit der Verständigung schwer ging. Zum Glück saß die Spanierin Isi auch im Bus und konnte mein Anliegen erklären. Da ich sehr groß bin, kann ich auf einigen Sitzen nicht sitzen, geschweige schlafen. In Argentinien ist es bei diesen langen Strecken üblich, nachts zu fahren. Die Sitze sind sogenannte Semi-Cama, also halbe Betten. Wenn ich einen zu engen Platz habe, bekomme ich kein Auge zu. Zum Schluß hatte sich alles geregelt und ich hatte meine beste Busfahrt in Argentinien. So viel komfort und luxus bin ich gar nicht gewöhnt. Es gab sogar ein warmen Essen und mehrmals Getränke gereicht. Kurz vor dem Schlafen gehen, gab es ein Schlafkissen und dann eine schöne Gute Nacht Geschichte. Der Film „Slumdog Millionär“ echt toll und traurig.

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